30.03.23 | House of Finance: Aktuelles

Von Klischees und Diskriminierung bei Finanzangelegenheiten

Vermögensungleichheit zwischen den Geschlechtern beruht auf äußeren Restriktionen, aber auch auf zu wenig finanzieller Entscheidungsfähigkeit von Frauen.

Frauen verdienen in gleichen Jobs weniger als Männer, sie investieren weniger am Aktienmarkt und sind häufiger von Altersarmut betroffen: Das alles sind Faktoren, auf denen die geschlechtsspezifischen Vermögensungleichheiten beruhen. Um den sogenannten „Gender Wealth Gap“ zu schließen, also die Vermögenslücke zwischen Frauen und Männern, ist es wichtig, sowohl äußere Restriktionen abzuschaffen als auch Frauen das Thema zielgerichtet näher zu bringen. Das machte eine Veranstaltung am 22. März 2023 im House of Finance deutlich.

Organisiert von der Gesellschaft „Frauen mit Format“, dem House of Finance, dem Institut für Bank- und Finanzgeschichte, dem Center for Financial Studies und dem Leibniz-Institut für Finanzmarktforschung SAFE, diskutierten in dieser Veranstaltung mit Ilse Munnikhof, Head of Investment Advice der ING Deutschland, Alina Bartscher, Senior Research Economist der Dänischen Zentralbank und Christine Laudenbach, Leiterin der Abteilung Household Finance bei SAFE, drei Expertinnen, wie Frauen bestehende Vermögenslücken schließen können. Rainer Klump, Geschäftsführender Direktor des House of Finance, moderierte die Veranstaltung.

Mehr Frauen an den Aktienmarkt

Ein wichtiger Faktor sei dabei, Frauen zu ermutigen, ihr Geld am Aktienmarkt anzulegen. Dahingehend hatte Ilse Munnikhof eine positive Nachricht zum deutschen Kapitalmarkt: „Im Jahr 2022 waren zum ersten Mal mehr Frauen unter den neuen Anlegerinnen und Anlegern“, berief sie sich auf aktuelle Zahlen des Deutschen Aktieninstituts. Allerdings bildeten Aktiensparer und -sparerinnen in Deutschland nicht nur insgesamt eine Minderheit, sondern dies gelte erst recht für den Anteil weiblicher Anleger.

Das bestätigt auch Christine Laudenbach.   Frauen beteiligten sich weniger am Aktienmarkt, weil sie glauben, zu wenig über Finanzen zu wissen. In wissenschaftlich begleiteten Tests  weisen sie auch tatsächlich weniger Finanzkenntnisse auf als Männer. „Schulbildung ist wichtig, um das Thema zu normalisieren, aber es braucht keinen Ph.D. in Finance“, befand Alina Bartscher. Das Panel war sich deshalb einig, dass Finanzwissen schon in der Schule vermittelt werden sollte. Entscheidend sei aber häufig, dass Frauen dem eigenen Finanzwissen nicht trauen und ihre Kenntnisse schlechter einschätzen als sie sind. Das zeigte Laudenbach anhand aktueller Forschungsergebnisse.

„Das Gefühl viel wissen zu müssen, ist bei Frauen deutlich ausgeprägter“, so die SAFE-Wissenschaftlerin . Dieser Eindruck werde durch Klischees in Medien verstärkt, wenn Frauen beispielsweise seltener und naiv im Umgang mit Geld dargestellt werden – im Gegensatz zu Männern, die im Umgang mit großen Beträgen und aktiver gezeigt werden. „Solche Stereotype materialisieren sich“, sagte Laudenbach.

Munnikhof schilderte ihre Beobachtung, dass das Thema Finanzen unter Frauen salonfähiger werde, da sie in ihrem Umfeld öfter darüber sprechen und sich somit mehr damit auseinandersetzen. Solche positiven Beeinflussungen aus dem Freundeskreis können helfen, die Scheu vor dem Aktienmarkt abzulegen.

Außerdem seien neue Wege von Geldhäusern gefragt: „Bei Wertpapierprodukten für Anfänger fühlen sich Frauen nicht angesprochen“, erzählte Munnikhof aus der Praxis. Es sei wichtig, Frauen gezielt anzusprechen und die Möglichkeiten der Digitalisierung dafür zu nutzen. So könnten viele Finanzunternehmen auch ihr Geschäft ausbauen: „Es macht absolut Sinn, diese Zielgruppe aus Unternehmenssicht anzusprechen“, betonte Munnikhof. Dabei müsse man aber zunächst lernen, was bei dieser neuen Zielgruppe funktioniere, ergänzte Laudenbach.

Reformen zeigen zahlreiche positive Effekte

Die Gründe für den Gender Wealth Gap sind vielschichtig. Wie gravierend die Auswirkung von Restriktionen gegen Frauen in Finanzangelegenheiten sein können, zeigte Alina Bartscher mit ihrer Untersuchung des US-amerikanischen Kreditmarktes. Erst in den 1970ern führten Reformen wie der „Equal Credit Opportunity Act“ (ECOA) dazu, dass Frauen nicht mehr pauschal aufgrund ihres Geschlechts bei der Kreditaufnahme benachteiligt werden. So war es vor den Reformen üblich, dass nur die Hälfte des Einkommens von verheirateten Frauen in den USA als Sicherheit anerkannt wurde, wenn sich ein Paar für eine Hypothek bewarb.

Laut Bartschers Studie konnten sich durch die Einführung der neuen Gesetze rund 1,4 Millionen verheiratete Paare ein Haus kaufen. Außerdem schuf die Aufhebung der Restriktionen Anreize für verheiratete Frauen zu arbeiten: „Es kann helfen, äußere Restriktionen abzuschaffen, um Diskriminierung bei Frauen zu verringern“, so Bartscher. Gerade Entwicklungs- und Schwellenländer könnten auch heute von Gesetzen gegen geschlechtsbasierte Restriktionen profitieren, ergänzte die Ökonomin.

Die Vorträge und lebhafte Diskussion mit dem Publikum zeigten, dass das Thema für Wissenschaft, Praxis und Gesellschaft wichtig ist. Während Frauen sich mehr mit Finanzthemen auseinanderzusetzen scheinen, müssen noch viele Hürden und Stereotype verschwinden, um Vermögen zwischen den Geschlechtern tatsächlich anzugleichen.