
Eine naturwissenschaftliche Perspektive auf Standards für die Unternehmensberichterstattung zu Biodiversität
Ein inter- und transdisziplinärer Forschungsansatz ist von zentraler Bedeutung für die Festlegung von Indikatoren und Datenanforderungen der Unternehmensberichterstattung zu Biodiversität und Ökosystemleistungen.
Dies betonten einhellig die Vortragenden sowie die weiteren Teilnehmenden des ersten diesjährigen Workshops zur ESG-Berichterstattung am 13. März 2025, einer gemeinsamen Veranstaltung des House of Finance/CTC, des Leibniz-Instituts für Finanzforschung SAFE und der FEdA. Bereits im Dezember 2024 hatten das House of Finance und SAFE, beide Partner eines im April 2024 mit dem ISSB unterzeichneten Memorandum of Understanding, einen gemeinsamen Workshop durchgeführt, der sich den Herausforderungen der Biodiversität-Berichterstattung von Unternehmen widmete. Diese resultieren nicht zuletzt aus der hohen Komplexität der Materie sowie den oft standortspezifischen Ausprägungen. Richard Barker, Mitglied des ISSB-Vorstands, skizzierte den ISSB-Ansatz zur Entwicklung von Berichtsstandards zur Biodiversität und hob einige allgemeine Aspekte hervor, wie z. B. die Interdependenz der die Entwicklung der Biodiversität beeinflussenden Phänomene, die sektorspezifische Risikoexposition und Folgen der Unternehmensaktivität im Hinblick auf Biodiversität oder die Tatsache, dass sich der ISSB als Standardsetzer auf die Informationsbedürfnisse von Investoren konzentriere.
Die Ökotoxikologen Henner Hollert und Francisco Sylvester von der Goethe-Universität Frankfurt plädierten dafür, sich auf die Hauptursachen für den Verlust der biologischen Vielfalt bzw. die Schädigung der Ökosysteme zu konzentrieren, und betonten hier die Rolle der chemischen Verschmutzung, die von der Forschung in diesem Kontext bislang vernachlässigt wurde. Volker Mosbrugger, Sprecher der FEdA-Initiative, erläuterte, dass die biologische Vielfalt als integraler Teil der Ökosystemleistungen betrachtet werden sollte. Er sprach sich für eine Berichterstattung im Sinne der doppelten Wesentlichkeit aus, die die Auswirkungen unternehmerischen Handelns einbezieht und sich auf die externen Kosten der Unternehmen konzentriert. Die Erfassung und Offenlegung negativer Externalitäten sollen die Transparenz über Kosten der Inanspruchnahme von Ökosystemleistungen und deren Folgen schaffen. Diese Kosten müssten von den Unternehmen internalisiert werden.
Ulrike Eberle, ZNU - Zentrum für Nachhaltige Unternehmensführung an der Universität Witten/Herdecke, gab einen Überblick über das Bio-Val-Projekt als erfolgreiches Beispiel einer transdisziplinären Forschung. Dieses Projekt habe es Unternehmen der Lebensmittelindustrie ermöglicht, ihre Abhängigkeit von bzw. die Auswirkungen auf die biologische Vielfalt quantitativ zu bewerten und die Erkenntnisse in ihre Geschäftsstrategien einfließen zu lassen. Dieser Punkt wurde auch von Johannes Förster, UFZ Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, hervorgehoben. Er berichtete über das Projekt Bio-Mo-D, das auf die Einbindung von Ökosystemleistungen und Biodiversitätsindikatoren in die Wirtschaftsberichterstattung von Unternehmen und Staaten hinarbeite. Er betonte, Berichtsstandards müssten Unternehmen als Instrument der Überprüfung und Anpassung ihrer Geschäftsstrategien dienen können.
In der abschließenden Diskussion nannten Redner und Teilnehmer vier wichtige Schwerpunkte für die künftige Arbeit an Biodiversitätsstandards: die Notwendigkeit eines sektoralen Leitfadens, die Konzentration auf Ökosystemleistungen und nicht auf die biologische Vielfalt an sich, die Einbeziehung der chemischen Verschmutzung als eines der wichtigsten Treiber für den Biodiversitätsverlust und grundsätzlich eine Priorisierung der dringendsten Ursachen, die biologischen Vielfalt gefährden.